Kindergeld: Private Krankenversicherungsbeiträge mindern Einkünfte – Regelung zur Einkunftsgrenze verfassungswidrig?

Das Niedersächsische Finanzgericht hat jetzt eine Entscheidung seines 1. Senats veröffentlicht, in der es um die Gewährung von Kindergeld für ein volljähriges Kind ging, das sich in einer Berufsausbildung (Hochschulstudium) befand und nebenher einer Aushilfstätigkeit nachging (Az.: 1 K 76/04). Die Familienkasse hatte die Zahlung von Kindergeld abgelehnt, weil der maßgebliche Grenzbetrag (§ 32 Abs. 4 EStG) überschritten wurde.

Der 1. Senat des Nieders. FG hat der Klägerin demgegenüber das Kindergeld zugesprochen. Nach seiner Auffassung waren die Einkünfte des Kindes nicht nur um Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung (Renten- und Pflegeversicherung), sondern auch um Zahlungen an die private Krankenversicherung zu kürzen. Damit lagen die Einkünfte und Bezüge des Kindes unter dem maßgebenden Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 EStG.

Hierzu verweist das Nieders. FG auf die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung dem Kind nicht zur Bestreitung seines Unterhalts zur Verfügung stünden und deshalb nicht in die Bemessungsgröße für den Einkommensgrenzbetrag einbezogen werden dürften (BVerfG vom 11.01.2005 2 BvR 167/02, BVerfGE 112, 164). Entsprechendes müsse auch für die Beiträge zu einer privaten Krankenversicherung gelten, wenn diese – wie im Streitfall – einen der gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbaren Versicherungsschutz gewähre.

Das Nieders. FG ist außerdem der Ansicht, dass bei einer geringfügigen Überschreitung der Einkommensgrenze des § 32 Abs. 4 EStG das Kindergeld nicht vollständig versagt werden dürfe. Diese – im Fachschrifttum mit dem Begriff „Fallbeilwirkung“ titulierte – Rechtsfolge sei verfassungswidrig; die Regelung sei deshalb verfassungskonform durch eine Übergangsregelung zu ergänzen, die eine gleitende Minderung des Kindergeldes bewirke.

(Auszug aus der Pressemitteilung des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 15.08.2006)