Vorsteuerabzug bei privater Nutzung einer Wohnung im Unternehmensgebäude keine rückwirkende Anwendung eines steuerverschärfenden Gesetzes vor 2004

Ein Unternehmer darf ein Gebäude, das er zum Teil für Zwecke seines Unternehmens mit besteuerten Umsätzen und im Übrigen für nichtunternehmerische Zwecke (z. B. als Privatwohnung) nutzt, in vollem Umfang seinem Unternehmen zuordnen und den vollen Vorsteuerabzug geltend machen.

Zum Ausgleich dieses auch auf den privat genutzten Teil entfallenden Vorsteuerabzugs wird die private Nutzung des Unternehmensgebäudes besteuert. Bemessungsgrundlage waren nach bisheriger deutscher Praxis die für die Nutzung anfallenden Kosten, insbesondere die nach ertragsteuerlichen Abschreibungsgrundsätzen verteilten Anschaffungs- oder Herstellungskosten, also bei allgemein angenommener Nutzungsdauer von 50 Jahren 2% der Anschaffungs-/Herstellungskosten.

Die Finanzverwaltung ordnete mit Schreiben des BMF vom 13.04.2004 an, die Verteilung der vorsteuerbelasteten Herstellungskosten müsse sich am Berichtigungszeitraum von 10 Jahren (für Grundstücke), im Übrigen 5 Jahren orientieren; nur so könne im Interesse der steuerlichen Neutralität der vorgenommene Vorsteuerabzug durch die Besteuerung des "Eigenverbrauchs" wirksam ausgeglichen werden. Das BMF-Schreiben galt mit Wirkung vom 01.07.2004, darüber hinaus aber für alle davor liegenden noch "offenen Fälle", in denen der Unternehmer sich auf die Steuerpflicht seiner Privatnutzung mit Vorsteuerabzugsrecht nach der EuGH-Rechtsprechung berief.

Zum BFH kam das Revisionsverfahren eines von dieser Verwaltungspraxis betroffenen Unternehmers. Dieser hatte für sein im Jahr 2001 errichtetes gemischt genutztes Gebäude den vollen Vorsteuerabzug geltend gemacht und die Eigennutzung der Wohnung des Gebäudes mit den auf 50 Jahren verteilten Herstellungskosten des Gebäudes als Bemessungsgrundlage erklärt. Er wurde vom Finanzamt mit der erhöhten Bemessungsgrundlage für die Privatnutzung im Jahr 2001 belegt.

Der BFH verneinte mit Urteil vom 19.04.2007 V R 56/04 eine Rechtsgrundlage für diese "Rückwirkung".

Der BFH verwarf daher die Ansicht der Finanzverwaltung, das BMF-Schreiben vom 13.04.2004 habe lediglich eine geänderte Auslegung der Bemessungsgrundlagenregelung eingeführt, die wie üblich auf alle noch offenen einschlägigen Fälle anwendbar sei. Der BFH beurteilte die Regelung vielmehr als materiellrechtliche Änderung des bisher geltenden nationalen Rechts. Da der Gesetzgeber zudem nur eine Rückwirkung zum 01.04.2004 vorgesehen habe, sei damit eine durch die Verwaltung angenommene weitere Rückwirkung (für davor liegende Zeiträume) unvereinbar.

(Auszug aus BFH-Pressemitteilung vom 13.06.2007)

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